In Christus unserem Herrn geliebte Gläubige
Das Tagesgebet (Für Heimat und Vaterland und die bürgerliche Gesellschaft) enthielt die folgenden Bitten für unsere Heimat:
„Gib den Männern und Frauen, die im öffentlichen Leben Verantwortung tragen, Weisheit und Tatkraft. Gib allen Bürgern die rechte Gesinnung. Lass Eintracht und Gerechtigkeit in unserem Land herrschen und schenke uns allezeit Glück und Frieden.“
Wie berechtigt diese Bitten in der gegenwärtigen Lage sind, ist offensichtlich. Als Pfarrer steht man mittendrin. Von jenen, die früher die Gottesdienste regelmässig besuchen, gibt es solche die nicht mehr teilnehmen, weil nicht alle eine Maske tragen – aus Angst sie könnten angesteckt werden. Bei Risikopersonen, z.B. bei Personen, die eine Operation vor sich haben, ist diese Angst durchaus nachvollziehbar. Umgekehrt gibt es solche, die sagen, so lange diese Massnahmen gelten, kämen sie nicht mehr in die Kirche. „Das ist kein Gottesdienst mehr“ – erklärte mir letztes Jahr jemand am Tag nach der hl. Firmung, obwohl damals nicht so strenge Vorschriften galten als seit der letzten Woche oder im Frühjahr 2020. Als Pfarrer habe ich vor allem im Januar/Februar dieses Jahres etliche Mitglieder unserer Pfarrei besucht, welche schwer betroffen waren und offensichtlich an Covid19 gestorben sind – in einem Fall nur eine Stunde, nachdem die Person die hl. Krankensalbung erhalten hatte. Die erschwerten Umstände ermöglichten in jenen Fällen nur einem kleinen Personenkreis das Abschiednehmen. Das alles schmerzt mich als Seelsorger. Dazu kommt noch, dass gewisse Massnahmen, die gerade auch für die Kirchen angeordnet wurden, unverhältnismässig sind und offensichtlich gegen die „Glaubens- und Gewissensfreiheit“ verstossen, welche unsere Bundesverfassung gewährleistet (Art. 15: „Die Glaubens- und Gewissensfreiheit ist gewährleistet.“). Wenn diese Glaubens- und Gewissensfreiheit nicht verteidigt wird, wird sie dann eines Tages aus unserer Verfassung gestrichen, weil sie ohnehin nicht mehr geachtet wird? Unverhältnismäßig war nicht nur die 5er-Regel im letzten Jahr, sondern auch die Zertifikatspflicht, die Erhebung von Kontaktdaten. Das alles erfüllt einen mit einer gewissen Ohnmacht, man fühlt sich ungerecht behandelt und kann nicht viel dagegen tun. Das ist ein idealer Nährboden für die Entgleisungen, welche die heutige Lesung aus dem Jakobusbrief beim Namen nennt: Da ist von Streit, von Eifersucht die Rede: Die Ungeimpften werden eingeschränkt, die Geimpften geniessen viele Freiheiten. Von den Genesenen gibt es zwei Klassen, jene die ein Zertifikat bekommen und jene, denen der Amtsschimmel dieses aus unerfindlichen Gründen verweigert (kein PCR-Test als Bestätigung eines positiven Antigentests mit Symptomen vorhanden).
Das alles zu ertragen und auszuhalten braucht Geduld. Geduld ist eine Frucht des Heiligen Geistes. Wenn es in uns rumort, dann ist es höchste Zeit, mit einem Stossgebet um den Heiligen Geist zu bitten. Dazu gehört auch, dass wir jene, die anderer Auffassung sind, nicht provozieren. Dass wir ihnen Achtung entgegenbringen. Die Medien heizen schon seit 1,5 Jahren die Stimmung in unserem Land auf, da wollen wir nicht auch noch dazu beitragen. Wie heisst es im Jakobusbrief: „Doch die Weisheit von oben ist erstens heilig, sodann friedfertig, freundlich, gehorsam, reich an Erbarmen und guten Früchten, sie ist unparteiisch, sie heuchelt nicht“ (3,17). Auch vom Frieden war in der Lesung die Rede. Denken wir in dieser Lage an den hl. Bruder Klaus, unseren Landespatron. Er hat als Friedensstifter die Worte geprägt: „Friede ist allweg in Gott, denn Gott ist der Friede.“ Zweifellos hat das Gebet und das Opferleben des hl. Bruder Klaus dazu beigetragen, dass seine Vermittlung unter den eidgenössischen Ständen am 22. Dez. 1481 von Erfolg gekrönt wurde: Das „Friedensbündnis von Stans“ ist in die Geschichte eingegangen. Dreissig Tagsatzungen und Vermittlungskonferenzen hatten das nicht zustande gebracht. Alle seine Ratschläge mahnten zum Frieden des Vaterlandes, zur Einigkeit mit den Nachbarn, zum Lobe Gottes und zum Gehorsam gegen seine Gebote. Das Lob Gottes, die Anbetung Gottes, das Eingeständnis, dass wir auf die Vergebung Gottes angewiesen sind – all das gehört auch zum Eidgenössischen Dank-, Buss und Bettag. Unser Staat ist zu einem religiös neutralen Staat geworden, obwohl die Präambel der Bundesverfassung immer noch mit den Worten anfängt: „Im Namen Gottes, des Allmächtigen!“ – mit Ausrufezeichen. In den letzten Jahren hat sich immer mehr abgezeichnet, dass diese Worte sukzessive zur Makulatur geworden sind. Sehr vieles, was der Staat inzwischen erlaubt oder gar angeordnet hat, ist mit dieser Präambel nicht mehr vereinbar. Zu denken geben, muss auch folgendes: Anlässlich des Staatsaktes zum 600. Geburtstag des hl. Niklaus von Flüe, am 30. April 2017, nahm die damalige Bundesrätin Doris Leuthard in ihrer Rede kein einziges Mal das Wort Gott in den Mund. Sie erklärte, wichtig in der Politik sei das «Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, in den guten Willen des Anderen und in die Kraft der Mitmenschen». Die Bundesräten fragte rhetorisch: «Braucht es dazu wieder einen Bruder Klaus?» Sie antwortete: «Das schaffen wir selber: Setzen wir uns zusammen, hören wir zu, diskutieren wir offen und arbeiten gemeinsam an der Zukunft unseres schönen Landes.» Diese Worte mögen manche für politisch korrekt gehalten haben, im Grunde war es aber magistrales Verschweigen der Wahrheit: die Ursache für die grossartige Wirkungsgeschichte unseres Nationalheiligen ist der dreieinige Gott. Gott muss beim Namen genannt werden. Gott gilt die Ehre! Nun sind ihre Worte auch zur Makulatur geworden. Setzen wir uns zusammen? Hören wir einander zu? Diskutieren wir offen und arbeiten wir gemeinsam? Wir sehen jetzt das Ergebnis, wenn man nur noch auf die eigenen Fähigkeiten vertraut.
Die Motivation, sich trotz Uneinigkeit zusammenzusetzen, trotz Uneinigkeit einander zuzuhören, offen miteinander zu diskutieren, erhalten wir letztlich von Gott. Bitten wir ihn um Einsicht, die eine Gabe des Heiligen Geistes ist. Bitten wir ausdrücklich für unsere Behörden und auch für unsere Bischöfe um die Gabe der Einsicht, damit sie die Nöte der Bürgerinnen und Bürger, der Gläubigen in unserem Land erkennen und alles unternehmen, um eine weitere Spaltung in unserer Gesellschaft zu verhindern und zum Frieden beizutragen. Tragen wir selber zum Frieden bei, in unseren Familien, an unseren Arbeitsplätzen. Dann wird es auch friedlicher im unserem Dorf, in unserem Kanton, in unserem Land.
Wir haben in der jetzigen Krise allen Grund, Gott darum zu bitten, dass er alle Hindernisse aus dem Weg räumt, die den Weg zu ihm versperren, dafür auch Busse zu tun. Zu allererst beten wir für uns persönlich und dann natürlich auch für alle, die in unserem Land Verantwortung tragen und an seiner Zukunft arbeiten. Heiliger Bruder Klaus, unser Landespatron, bitte für uns! Amen.
Pfr. Dr. Roland Graf
Quelle: Rede von Bundespräsidentin Doris Leuthard, Staatsakt – nationale Gedenkfeier, 30. April 2017, Landenberg bei Sarnen (OW)